Yoga ist ein Wort aus dem indischen Sanskrit, der heiligen Sprache Indiens, und bedeutet „Vereinigung, Einheit und Harmonie“. Yoga kann demzufolge als eine integrale Technik bezeichnet werden, die Körper, Geist und Seele harmonisiert. Diese Technik entstand vor über 2.000 Jahren in Indien.

In der modernen westlichen Welt ist Yoga vor allem für seine körperlichen Übungen (Asana) bekannt. Tatsächlich sind aber die körperlichen Übungen nur ein Bruchteil von dem, was Yoga tatsächlich zu bieten hat. Um die integrale Technik des Yoga wirklich verstehen und Kinderyoga begreifen zu können , ist das Wissen um die 4 Yoga-Wege und den 8 – gliedrigen Yoga – Pfad nach dem indischen Gelehrten Patanjali unerlässlich.

Die 4 Yoga-Wege beschreibt und erklärt die Bhavagad Gita, eine der wichtigsten Schriften des Hinduismus:

  • Bhakti Yoga ist das Yoga der Liebe und der Hingabe zur gesamten Schöpfung, d.h. von der Natur über die Tiere zu den Menschen, aber auch zu uns selbst.
  • Jnana Yoga ist der Yoga der Erkenntnis und beschreibt einen geistig intellektuellen Weg beispielsweise das Studium der Yoga- Schriften.
  • Karma Yoga ist der Yoga des täglichen bewussten Handelns und selbstlosen Tätigseins.
  • Raja Yoga beschreibt den Königsweg des Yoga und beinhaltet den 8-gliedrigen Pfad nach dem Yoga-Leitfaden von Patanjali. Er wird auch oft Ashtanga Yoga genannt, was aber nicht mit dem Yogastil „Ashtanga Yoga“ zu verwechseln ist. Der Yoga-Leitfaden von Patanjali wird auch Yoga Sutra genannt und ist die wohl bedeutendste Schrift der Yogalehre und einer der wichtigsten Quelltexte. In 195 Versen beschreibt Patanjali Yoga als ganzheitliches System zur Entspannung von Körper und Geist.

Der 8-gliedrige Yoga-Pfad nach Patanjali besteht aus den folgenden Stufen:

  • Stufe 1 – Yama: Verhaltensregeln und moralische Disziplin gegenüber anderen.
  • Stufe 2 – Niyama: Selbstdisziplin. Verhaltensregeln gegenüber sich selbst.
  • Stufe 3 -Asana: Körperliche Übungen.
  • Stufe 4 – Pranayama: Atemtechniken.
  • Stufe 5- Pratyahara: Zurückziehen der Sinne.
  • Stufe 6 – Dharana: Bewusste Steuerung der Konzentration bzw. Fokussierung.
  • Stufe 7 – Dhyana: Meditation.
  • Stufe 8 – Samadhi: Höchstes Bewusstsein.

Der Yoga-Unterricht kann die Stufen 1 bis 6 des -gliedrige Yoga-Pfad nach Patanjali vermitteln. Die Stufen 7 und 8 können nicht aktiv herbeigeführt werden, sondern passieren passiv, wenn die Stufen 1 bis 6 gemeistert wurden.

Um nun auch die Frage zu beantworten: Was ist Kinderyoga?

Kinderyoga hat das Ziel auf spielerische und kreative Weise die Stufen 1 bis 6 des 8-gliedrigen Yogapfads nach Patanjali in all seinen Facetten auch für Kinder und Jugendliche altersgerecht erfahrbar zu machen. Die Vermittlung von Freude an der Yoga-Praxis ist hierbei der zentrale Punkt im Yoga-Unterricht, denn nur so kann in der Kindheit der Grundstein für eine lebenslange Yoga-Praxis gelegt werden.

Wie profitieren Kinder und Jugendliche von Yoga?

Kinder und Jugendliche werden in unserer heutigen Zeit mit vielen Herausforderungen konfrontiert und sind unterschiedlichen Stressoren ausgesetzt. Leistungsdruck, ständige Beurteilungen, soziale Konflikte, ein schnelllebiger Alltag mit ständig neuen Situationen, Entwicklungsaufgaben, die gemeistert werden wollen, endlose Aktivitäten in der Freizeit, Sport, bei dem der Wettkampfgedanke im Vordergrund steht, beschäftigte Eltern, Reizüberflutungen, Konkurrenzdruck und Sorgen gehören mittlerweile zum Alltag von Kindern und Jugendlichen. Hierbei haben die Verarbeitung und Bewältigung dieser Herausforderungen und Stressoren einen entscheidenden Einfluss auf ihre physische und psychische Gesundheit. Deshalb gewinnen Stressbewältigungsmethoden wie Yoga für Kinder und Jugendliche immer mehr an Bedeutung auch im präventiven Bereich.

Die Wirkung von Yoga ist vielschichtig, denn Yoga wirkt sowohl auf der körperlichen wie auch auf der geistigen und seelischen Ebene.

Durch gezielte Übungen werden das Körperbewusstsein und die Körperwahrnehmung geschult, eine gesunde Körperhaltung gefördert und die Muskulatur gestärkt. Altersgerechte Asana (Yoga – Übungen) lösen Muskelverspannungen und schulen Gleichgewicht, Koordination und Beweglichkeit. Yoga bietet einen idealen Ausgleich zum Alltagsstress und Kinder und Jugendliche lernen, wie sie sich in stressigen Situationen entspannen können. Dem Bewegungsmangel durch lange Schultage wird entgegengewirkt.

Yoga fördert das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, aber auch Geduld und Aufmerksamkeit. Die Konzentrationsfähigkeit wird gestärkt, Ängste werden abgebaut. Yoga lehrt Gefühle auszudrücken und fördert Mitgefühl, Respekt, Verständnis und Empathie.

Um Yoga-Angebote vor allem an Institutionen wie Kindergärten oder Schulen aufzubauen, ist es unerlässlich die Wirksamkeit von Yoga mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu belegen. Führend in der deutschen Kinderyoga-Forschung ist Marcus Stück. Mit seiner Dissertation 1997 hat er erstmals in Deutschland die Kinderyoga-Praxis mit wissenschaftlichen Studienergebnissen verbunden. Neben der Dissertation von Marcus Stück, gibt es aktuell lediglich 2 weitere deutsche Dissertationen zum Thema Kinderyoga.

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Die Unterschiede zwischen Kinderyoga und Erwachsenenyoga.

Die Unterschiede zwischen Kinderyoga und Erwachsenenyoga lassen sich inhaltlich und organisatorisch beschreiben:

Inhaltliche Unterschiede

Yogastunden mit Erwachsenen sind eher statisch und folgen einer vorher vom Yogalehrer festgelegten Abfolge von Asana, Atem- und Entspannungsübungen. Im Yoga bei Kindern und Jugendlichen steht die spielerisch, kreative Umsetzung der Inhalte im Vordergrund. Hieraus resultiert eine lebendige Yogastunde, die das jeweilige Bewegungsbedürfnis der Kinder berücksichtigt und die auch flexibel innerhalb einer Rahmenstruktur gemeinsam mit den Kindern gestaltet werden kann.

Aufgrund der kürzeren Aufmerksamkeitsspannen bei Kindern und Jugendlichen werden Asana kürzer gehalten oder dynamisch ausgeführt.  Die Übungsdauer von Konzentrations-, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen ist ebenfalls kürzer.

Kinder und Jugendlichen üben nur altersgerechte Asana und Atem-Techniken (Pranayama). Je kleiner die Kinder sind, desto weniger Korrekturen sogenannte Adjustments der Asana erfolgen. Im Kinderyoga wird nur korrigiert, falls Verletzungsgefahr besteht! In der Regel erfolgen erst ab Teenager-Alter entsprechende Adjustments also Korrekturen des Yogalehrers.

Im Yoga mit Kindern und Jugendlichen ist es unerlässlich, dass die einzelnen Gruppenmitglieder miteinander harmonieren, denn nur so ist Entspannung und Konzentration möglich. Vor allem im Yoga mit Jugendlichen hat es sich bewährt zuerst einmal eine Vertrauensbasis und positive Gruppendynamik zu schaffen, worauf die eigentlichen Yogastunden dann aufbauen.

Organisatorische Unterschiede

Ein wesentlicher organisatorischer Unterschied zwischen Yoga mit Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen Yoga ist, dass der Erwachsene freiwillig zum Yogaunterricht erscheint, weil er selbst entscheiden kann, ob er teilnehmen möchte. Bei Kindern und Jugendlichen entscheiden in der Regel die Eltern über eine Teilnahme. Dies gilt es vor allem in den ersten gemeinsamen Yogastunden zu berücksichtigen.

Yogastunden für Erwachsene dauern in der Regel zwischen 60 und 90 Minuten. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Dauer der Yogastunde von Alter und der jeweiligen Aufmerksamkeitsspanne abhängig:

  • Altersgruppe 3-4 Jahre: ca. 30 – 45 Minuten
  • Altersgruppe 5-8 Jahre: ca. 45-60 Minuten
  • Altersgruppe 9-13 Jahre: ca. 60 Minuten
  • Ab 14 Jahren: ca. 60-90 Minuten

Auch die Gruppenstärke ist ein wesentlicher organisatorischer Unterschied zum Erwachsenenyoga und richtet sich ebenfalls nach Altersgruppe und Aufmerksamkeitsspanne:

  • Altersgruppe 3-4 Jahre – Gruppenstärke ca. 6 Kinder
  • Altersgruppe 5-6 Jahre – Gruppenstärke ca. 6 bis 8 Kinder
  • Altersgruppe 6- 8 Jahre – Gruppenstärke ca. 8 Kinder
  • Altersgruppe 9-13 Jahre – Gruppenstärke max. 8 bis 10 Kinder
  • Ab 14 Jahre – Gruppenstärke max. 12 Kinder

Im Erwachsenenyoga liegt die Gruppenstärke im Schnitt bei mindestens 12 Teilnehmern.

Wie kann ein Yoga-Angebot für Kindergärten oder Schulen aussehen?

Um Yoga – Angebote in Einrichtungen wie beispielsweise Kindergärten, Schulen oder in der Jugendarbeit zu schaffen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. 

Yoga-Pausen und Yoga-Rituale in den Tagesablauf integrieren.

Bei dieser Möglichkeit geht es darum in den normalen Tages – Ablauf einer Einrichtung kleine Yogaübungen oder kurze Yoga – Pausen zu integrieren.

In der Schule können beispielsweise kleine Yogaübungen im Klassenraum mit Hilfe des Stuhls durchgeführt oder es können kurze Yoga-Pausen in den Schulalltag integriert werden. Dies sorgt für Bewegung zwischendurch, verbessert das Miteinander in der Klasse und fördert Konzentration und Lernbereitschaft.

Angeleitet werden die Übungen und Yoga-Pausen hier direkt von den Erziehern oder Lehrern, die sich vorher durch ein entsprechendes Angebot weitergebildet haben.

Thematisch relevante Yoga-Einheiten anbieten.

Eine weitere Möglichkeit ist es in Einrichtungen wöchentliche Yogastunden anzubieten, die von ausgebildeten Kinderyogalehrern durchgeführt werden. Hier ist es auf jeden Fall sinnvoll sich vorab zu überlegen, welche Ziele mit einem Yoga-Angebot erreicht werden wollen oder welche Themen in der Einrichtung relevant sind, die man mit Yoga fördern, unterstützen oder begleiten möchte. In einer Schule können beispielsweise folgenden Themen für ein Yoga-Angebot auch im präventiven Bereich in Frage kommen:

  • Rückenyoga für Schulkinder.
  • Mit Yoga gegen Abi- und Prüfungsstress.
  • Voll konzentriert! Mit Yoga die Konzentration stärken.

Aber wie kann man als Kindergarten, Schule oder andere Institution eine passende Kinderyogalehrerin finden? Zum einen natürlich über die bekannten Suchmaschinen, aber es gibt auch spezielle Verzeichnisse für Kinderyogalehrer, die hier bei der Suche unterstützen können.

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