Pädagogik für Kinderyogalehrerinnen – Kinderyoga für die Kleinsten
von Kerstin Marchlewski
- Ab welchem Alter kann ich Kinderyoga anbieten?
- Wie kann ich eine Kinderyogastunde für die Kleinsten gestalten?
- Kann ich schon 3-jährige in meinen Kurs aufnehmen?
- Was gibt es zu beachten?
- Welches „Ziel“ sollten die Yogastunden haben?
Immer wieder sind es diese und ähnliche Fragen, die mir die Teilnehmerinnen in den Ausbildungen stellen. Und wie bei so vielen Dingen sind sie nicht pauschal und eindeutig zu beantworten.
Wenn du mit Kindern arbeitest und vor allem Kinderyoga für verschiedene Altersstufen anbieten möchtest, solltest du dich ein wenig mit der kindlichen Entwicklung befassen. Denn es ist ja wie mit allen Bereichen der kindlichen Förderung – Überforderung bringt nur Frust auf allen Seiten und dann hast du auf einmal die folgende Situation:
- Die teilnehmenden Kinder sind unwillig und unzufrieden, machen nicht mit, stören permanent und schießen nur quer.
- Dein schön ausgearbeitetes Stundenbild, deine gut durchdachten Übungen und der ganze Ablauf waren völlig umsonst und am Ende verlassen alle entnervt den Raum.
Spaß am Tuen, Freude an der Bewegung und ein altersgerechter Stundenaufbau sollten also immer das oberste Ziel in einer Kinderyogastunde sein!
Schauen wir uns deshalb die kindliche Entwicklung im Alter von 3 Jahren einmal genauer an (z.B. nach Jean Piaget):
- Sprachliche Entwicklung
Zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr passiert gerade in diesem Bereich unendlich viel. Von den ersten 2-Wort-Sätzen „Emma Arm“ über die ersten Fragesätze „Das heißt?“ folgen dann 3-Wort-Sätze wie „Papa Arbeit geht“. Bis zum vollendeten 3. Lebensjahr nimmt der Wortschatz und der Satzbau explosionsartig zu. Ab diesem Zeitpunkt ist das Kind auch in der Lage, kurzen Geschichten zu folgen. Voraussetzung dafür sind nämlich Konzentrationsfähigkeit, die in diesem Alter bei gerade mal 10 Minuten liegt und Hörverständnis!
- Das Denken
Zwischen 2 und 3 Jahren beginnt die Phase mit dem „Magischen Denken“ oder auch „Magische Jahre“ genannt. In der Vorstellung des Kindes ist ALLES möglich und alles, was es sich vorstellt, ist Wirklichkeit. Es erkennt langsam die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung – kann aber leider beides noch nicht voneinander unterscheiden. Außerdem beginnt ab 3 Jahre über diese Vorstellungskraft das Rollenspiel. Wunderbar, um mit Kindern Asana-Geschichten zu spielen!
- Emotionale Entwicklung
Ab 3 Jahren kann ein Kind erkennen, wenn andere traurig sind und auch schon trösten. Sie sind jedoch noch zu sehr in ihrem Egozentrismus, d.h. „die Welt dreht sich nur um mich“, gefangen, als das sie ständig und von sich aus zurückstecken können. Teilen oder sich für „schlechtes“ Verhalten entschuldigen, ist für das Kind in diesem Alter noch überhaupt nicht logisch, was aber nicht bedeutet, dass man es nicht immer wieder üben kann. Hier ist wichtig den Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Zudem sollte man den Kindern in diesem Entwicklungsschritt immer das Gefühl geben, dass ihre Bedürfnisse geachtet und verstanden werden.
- Selbstwahrnehmung
Erst ab 3 Jahren kann ein Kind sich in einer Gruppe zurecht finden, Regeln befolgen und auch mal die eigenen Wünsche zurückstellen. Aber erst zwischen 3 und 4 Jahren beginnt ein Kind, sich in andere hineinzuversetzen und mitzufühlen! Erst ab da kann man überhaupt mit Kindern „Rücksichtnahme“ üben.
Was bedeutet das nun für die Planung von Kinderyogastunden?
Wenn du einen Kurs nur für die Allerkleinsten zwischen knapp 3 und 3,5 Jahren anbieten möchtest, solltest du also Folgendes beachten:
- Kurze Einheiten von 20 – 25 Minuten, da Konzentration und Aufmerksamkeit noch nicht sehr lange auf ein gezieltes Angebot gerichtet werden können.
- Viel Bewegung, Toben und Spiel anbieten.
- Maximal 3 – 4 Asanas in die Stunde einbauen.
- Asanas in eine kurze Geschichte einbauen. Lieder, Gedichte oder Reime sind für diese Altersgruppe auch immer eine schöne Möglichkeit.
- Dinge zum Fühlen, Tasten, Hören anbieten, um so die Sinne zu schulen.
- Klangschalen sind für die Kleinen der HIT !!!
- Rituale sind ganz wichtig – in jeder Stunde – und gerade für die Kleinsten Yogis! Rituale geben Kindern Sicherheit, Geborgenheit und schaffen Vertrauen. So kannst du zum Beispiel jedes Mal das gleiche Bewegungsspiel für die Kinder durchführen – ebenfalls als Ritual für eure Yogastunde.
- Was für uns Erwachsene schnell langweilig wird, ist für Kinder in diesem Alter extrem wichtig: Wiederholungen! Kinder lernen am leichtesten, wenn sie etwas häufig wiederholen. Zudem gibt ihnen das Wiederholen Sicherheit und Erfolgserlebnisse. Meist fordern die Kinder sowieso von selbst die direkte Wiederholung der Übungen ein.
- Ziel sollten Spaß und Freude an Bewegung sein, glückliche Kinder, die am Ende der Einheit den Raum verlassen und beim nächsten Mal gerne wieder dabei sind!
Bitte bedenke: Schon die Tatsache, das sich die Kinder in einer Kleingruppe gemeinsam an Regeln halten müssen und dir mit ihrer Aufmerksamkeit folgen, ist für sie Herausforderung genug! Höhere Ziele wie Beweglichkeit, Rücksichtnahme, Hilfestellung, Atmung oder Entspannung sind den anderen Altersstufen vorbehalten.
Wie heißt es doch so schön?
Wünsche dir alles, erwarte nichts und werde reich beschenkt!
~ R. Sriram
Bilderquelle: © 162235909 Olesia Bilkei Fotalia.com