Im Yoga bezeichnen wir Atemübungen als Pranayama. Prana bedeutet Lebensenergie oder Atem; Ayama bedeutet kontrollieren oder auch erweitern. Der Begriff Pranayama bezeichnet also die bewusste Regulierung und Vertiefung der Atmung durch Achtsamkeit und beständiges Üben. Pranayama ist eine weitere Technik im Yoga mit der wir unseren Körper und Geist in Einklang bringen.

Einer der Grundlagentexte des Hatha Yoga (Hatha Yoga Pradipika des Svatmarama) besagt:

Wenn der Atem in Bewegung ist, sind es auch die Gedanken. Wenn der Atem ruht, dann ruhen auch sie. Da der Yogi nach Ruhe strebt, soll der Atem beruhigt werden.

Atem ist Leben! Der Mensch kann tagelang ohne Nahrung oder Wasser leben. Ohne Atmung stirbt er aber innerhalb von Minuten. Mit jedem Atemzug nehmen wir nicht nur Sauerstoff, sondern auch Lebensenergie (Prana) auf. Solange wir ein gesundes und ausgeglichenes Leben führen, fließt die Lebensenergie ungehindert in unserem Körper. Wenn wir uns aber seelisch und geistig verspannen, dann wird der Fluß der Lebensenergie blockiert. Die Blockierungen befinden sich genau dort, wo unser Körper auf unseren Geisteszustand reagiert, zum Beispiel im Rücken oder im Magen.

Die meisten von uns haben vergessen, wie man richtig atmet und sind deshalb im normalen Leben meist nur „halbe Atmer“. Wir atmen ein, weil wir nicht anders können, aber atmen nicht vollständig wieder aus.

Es wird geschätzt, dass die meisten von uns gerade einmal 30% ihrer Atemkapazität nutzen!

Dadurch sammelt sich verbrauchte Luft in unseren Lungen an, was uns müde, unkonzentriert und antriebslos macht. Verbrauchte Restluft, die in unseren Körper lange verbleibt bildet aber auch ein ideales Milieu für Bakterien und Keime. Zudem trägt sie zur allgemeinen Übersäuerung des Körpers bei und blockiert die Lungenbläschen für frische, sauerstoffreiche Luft. Je mehr Luft wir also ausatmen, umso mehr frischen Sauerstoff können wir auch wieder einatmen.

70% der Giftstoffe in unserem Körper werden durch die Atmung ausgeschieden. Nur etwa 30 % verlassen unseren Körper durch Schwitzen oder die Verdauung.

Atemräume im Körper.

Das Entdecken und Erspüren der eigenen Atemräume im Körper ist eine Basisübung und wichtige Grundlage für weitere Atemübungen (Pranayama) im Yoga. Das Spüren der Atemräume im Körper steigert nicht nur das Körpergefühl von Kindern und Jugendlichen, sondern hilft auch beim Entspannen. Körperbereiche, die vom Atem belebt werden, werden als Atemräume bezeichnet. In unserem Körper gibt es insgesamt vier solcher Atemräume:

  • Bauch
  • Flanken
  • Brust
  • Rücken

Atemraum Bauch.

Der wichtigste Atemraum ist der Bauch und die wichtigste Atemart die Bauchatmung. Sie ist uns angeboren, wurde uns mit in die Wiege gelegt, aber schon Kinder und Jugendliche verlernen bei dem heutigen Alltagsstress schnell diese natürliche Atemart.

Die Bauchatmung (Abdominalatmung) wird auch Zwerchfellatmung (Diaphragmalatmung) genannt. Das Zwerchfell ist der Hauptatemmuskel in unserem Körper. Es teilt den Brustraum vom Bauchraum. Im entspannten Zustand, nach der Ausatmung, hat es eine nach oben gewölbte Kuppelform. Bei der Einatmung zieht sich das Zwerchfell zusammen, die Kuppel wird flacher und das Zwerchfell bewegt sich nach unten. Hierbei drückt es auf die Bauchorgane und schiebt somit die Bauchdecke etwas nach außen. Im Brustkorb entsteht mehr Raum und die Luft strömt in die Lungen. Bei der Ausatmung entspannt sich das Zwerchfell, seine Kuppelform wölbt sich wieder nach oben, der Druck im Bauch wird weniger und die Bauchdecke bewegt sich wieder zurück. Der Brustkorb wird enger, der Druck steigt so entweicht die Luft wieder aus den Lungen.

Die Bauchatmung ist die natürlichste und wirkungsvollste Art zu Atmen und hat viele positive Einflüsse auf unseren Körper. Durch sie nimmt der Körper effektiv Sauerstoff auf, sie wirkt beruhigend und massiert die inneren Organe.

Atemraum Brust und Flanken.

Die Brustatmung (Thorakalatmung) ist eine Atmungsform, die bei körperlichen Belastungen und Anstrengungen zur Anwendung kommt. Wenn wir nur im Bereich des oberen Brustkorbs atmen, beanspruchen wir hauptsächlich die Atemhilfsmuskeln (Nacken-, Brust und Schultermuskulatur) und weniger den Hauptatemmuskel Zwerchfell. Die Brustatmung hilft dem Körper in Ausnahmesituationen dabei mehr Sauerstoff aufzunehmen. Hierbei unterstützen die Atemhilfsmuskeln die Arbeit des Zwerchfells. Sie bewegen den Brustkorb intensiver, wodurch es möglich ist die Lungen mit mehr Sauerstoff zu versorgen. Allerdings wird bei der Brustatmung für den gleichen Luftaustausch mehr Energie verbraucht als bei der Bauchatmung!

Bei der Flankenatmung dehnt sich der Brustkorb seitlich nach rechts und links aus. Dies erweitert den Raum für die Lungen und das Herz. Daher wird die Flankenatmung auch als Herzatmung bezeichnet.

Atemraum Rücken.

Jeder Atemzug ist grundsätzlich auch im Rücken zu spüren. Allerdings ist der Rücken auch der Atemraum, der am schwierigsten zu erspüren ist. Dies hängt oft mit einer verspannten Rückenmuskulatur zusammen. Aber gerade dann ist die Rückenatmung umso wichtiger denn sie hilft die Rückenmuskeln zu dehnen und zu entspannen. Mit jedem Einatmen weitet sich der Rücken; mit jedem Ausatmen wird er wieder enger.

Yoga für Jugendliche - Stretching

Die Atemräume mit Jugendlichen im Yoga entdecken.

Vor längerem schon habe ich mir überlegt, wie ich dieses wichtige Thema in die Yogastunde mit Jugendlichen integrieren und ihr Körpergefühl in Bezug auf die Atemräume fördern kann. Entstanden ist im ersten Schritt ein Kurskonzept für Jugendliche ab 9 Jahren „Pranayama – Your Breathing Space“ mit 4 aufeinander abgestimmten Stundenbildern zu diesem Thema, die ich in 4 Unterthemen gegliedert habe:

  • Stundenbild 1: Allgemeiner Überblick und Einführung in das Thema
  • Stundenbild 2: Atemraum „Bauch“
  • Stundenbild 3: Atemraum „Brust und Flanken“
  • Stundenbild 4: Atemraum „Rücken“

Die Jugendlichen lernen den Weg des Atems kennen und üben die Atemräume zu erspüren, um so ihr Körpergefühl zu verbessern. Zudem üben sie erste grundlegende Atemübungen wie zum Beispiel Bauchatmung, 3-Part-Breathing (Dirga Pranayama), 2:1 Atmung und Sounding the Exhalation. Mit Hilfe von Asana-Sequenzen werden die Atemräume geöffnet und gedehnt und die Jugendlichen lernen mit einfachen Übungen Bewegung und Atmung zu koordinieren. Entsprechende Arbeitsblätter, die dem Kurskonzept als Anlage beigefügt sind, veranschaulichen und vertiefen die Thematik der Atemräume im Körper für die Jugendlichen.

Das Kurskonzept ist immer noch eine wertvolle Grundlage für mich zu diesem Thema auf die ich immer wieder zurückgreife, denn es ist vielseitig einsetzbar.

  • Wie in dem Kurskonzept beschrieben kannst du die 4 aufeinanderfolgenden Stunden zu diesem Thema durchführen und so Stück für Stück jeden Atemraum gemeinsam mit den Jugendlichen entdecken.
  • Es ist aber auch möglich einen Atemraum herauszugreifen und dieses Stundenbild als Grundlage zu nehmen und in Folgestunden weiter mit diesem Atemraum zu arbeiten.
  • Eine dritte Möglichkeit ist es, einfach einzelne Übungen zu Atemräumen herauszugreifen und sie in dein aktuelles Stundenthema zu integrieren.

Bilderquelle: © Viacheslav Iakobchuk 162749912  Adobe Stock (vormals Fotolia)