Wenn Kinder den Yoga – Unterricht stören.

In diesem Beitrag möchte ich dir am Beispiel von Ahimsa und Svadhyaya zeigen, wie du die Yoga-Philosophie sehr kreativ und spielerisch in dein Kinderyoga mit einfließen lassen kannst und so mit den Kindern die Lehren von Patanjali zum Leben erwecken kannst.

Es gibt unzählige Tipps, was man tun kann, wenn Kinder den Yoga – Unterricht stören. Manchmal funktionieren diese Tipps, oftmals aber auch nicht. Warum eigentlich nicht? Weil in solchen Fällen immer ein Bedürfnis oder Gefühl hinter dem Verhalten steht, dass nicht befriedigt wird. Wenn wir dieses Bedürfnis oder Gefühl nicht kennen, können wir es auch nicht befriedigen oder auflösen.

Es ist also wichtig erst einmal herauszufinden, was dieses Bedürfnis oder Gefühl ist, welches das störende Verhalten auslöst. Das ist nicht immer einfach und hier sind uns Kinderyogalehrerinnen auch Grenzen gesetzt.

Wir wissen oftmals nicht, was Kinder an seelischen Herausforderungen mit in die Yogastunde bringen. Wir sind auch keine Psychologen, die das Verhalten entsprechend analysieren und in der Yogastunde therapieren können. Wir erkennen nur am Verhalten, dass das Gedankenkarussell mit Höchstgeschwindigkeit fährt, wichtige Bedürfnisse oder Gefühle (noch) nicht ausgedrückt werden können oder die Seele leidet.

Diese Kinder stören den Ablauf der Yogastunde, fallen durch rücksichtsloses Verhalten auf und stören die anderen Kinder in ihrer Übungs – Praxis. Das kann dazu führen, dass die Gruppen-Dynamik leidet, Vertrauen innerhalb der Gruppe verloren geht, Verunsicherung entsteht oder sich auch ein Gegeneinander anstatt eines Miteinander entwickelt.

Wenn es uns nicht möglich ist, dass Bedürfnis oder Gefühl hinter dem störenden Verhalten zu entschlüsseln oder anderweitig wieder Ruhe in die Yogastunde zu bringen, sollten wir versuchen diesen noch versteckten Bedürfnissen und Gefühlen Raum zu geben und jeden in der Gruppe so aufzunehmen, wie er ist. Dabei geht es aber nicht darum das störende Verhalten zu akzeptieren oder einfach zu ignorieren. Dem störenden Verhalten wollen wir keinen Raum geben nur den dahinterstehenden Bedürfnissen und Gefühlen. Es geht darum in einem geschützten und vertrauensvollen Raum trotzdem achtsam und wertschätzend miteinander umzugehen, die Herausforderungen eines jeden zu akzeptieren, gleichzeitig aber auch Rücksichtnahme des anderen einzufordern; ein geben und nehmen.

Darüber hinaus bringen alle Kinder in einer Gruppe ihre Bedürfnisse und Herausforderungen mit. Die Kinder, die den Yoga – Unterricht stören zeigen das sehr offensichtlich und ziehen so die Aufmerksamkeit auf sich, aber auch die scheinbar „pflegeleichten“ Kinder, die nie im Yoga – Unterricht auffallen, bringen ihre Herausforderungen und Bedürfnisse mit, zeigen dies aber nicht oder auf die komplett gegenteilige Art und Weise.

Damit all die unterschiedlichen Gefühle und Bedürfnisse der Kinder in einer Kinderyoga-Gruppe Raum haben können, ist ein achtsames und wertschätzendes Miteinander unerlässlich.

Gemeinsam in einer Gruppe zu Yoga zu praktizieren, erfordert deshalb auch die Praxis von Ahimsa dem 1. Yama und Svadhyaya dem 4. Niyama.

Ahimsa beschreibt dabei die Achtsamkeit (Wertschätzung) in Worten und Taten (Verhalten) gegenüber den anderen Kindern oder Jugendlichen in der Gruppe, aber auch gegenüber sich selbst. Svadhyaya ist die Selbstreflexion, die bereits mit Kindern ab ca. 5 Jahren möglich ist. Hierbei wird am Ende jeder Yogastunde gemeinsam reflektiert, was uns heute an der Praxis von Ahimsa leicht und schwer viel. Ziel dieser Übung ist es langfristig die Gruppendynamik und die Kommunikation innerhalb der Gruppe zu stärken, Vertrauen aufzubauen, geben und nehmen zu praktizieren und jedem die Möglichkeit zu geben über die Reflektion sein eigenes Verhalten besser kennenzulernen, zu verstehen und Gefühle und Bedürfnisse dahinter zu erkennen und kommunizieren zu lernen.

Die Praxis von Ahimsa und Svadhyaya entfaltet ihre Wirkung aber nicht innerhalb von wenigen Yogastunden. Hier ist Ausdauer und eine regelmäßige und konsequente Übungs – Praxis sowohl von Ahimsa als auch von Sadhyaya erforderlich. Erwarte deshalb keine Ergebnisse innerhalb von kurzer Zeit! 

ahimsa kinderyoga

Die Praxis von Ahimsa und Svadhyaya für ein achtsames und wertschätzendes Miteinander im Kinderyoga.

Schritt 1: Ahimsa im Kinderyoga – Das Versprechen

Ahimsa ist das erste der 5 Yamas aus dem 2. Kapitel des Yoga Sutra. Ahimsa ist die Sprache des Herzens und gilt als das wichtigste und grundlegendste der 5 Yamas. Ahimsa hat unzählige Bedeutungen und Ausprägungen und eine davon ist die Achtsamkeit (Wertschätzung) in Worten und Taten (Verhalten) gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Ahimsa lässt sich auch in Qualitäten und Gefühlen ausdrücken.

In der Yogastunde mit Kindern und Jugendlichen wird Ahimsa oft mit Regeln gleichgesetzt und auch so verwendet. Patanjali nennt Ahimsa aber nicht Regeln, sondern ein Mahavrata oder auch Vrata. Hierbei handelt es sich um einen Vorsatz, den man fasst oder auch ein Versprechen. In der Yogastunde mit Kindern und Jugendlichen wollen wir Ahimsa also nicht als Regeln verwenden, sondern wir wollen mit den Qualitäten und Eigenschaften von Ahimsa unser Miteinander in der Yogastunde gestalten und den Raum öffnen für alles, was gerade da ist. Hierdurch wollen wir uns ein Versprechen gegeben für mehr Achtsamkeit (Wertschätzung) in Worten und Taten (Verhalten).

Sucht euch für euer Versprechen 1-2 Qualitäten oder Gefühlen von Ahimsa für den gegenseitigen Umgang in der Yogastunden aus. Was ist euch am wichtigsten im gemeinsamen Umgang miteinander und beim Praktizieren von Yoga? Wo wünscht ihr euch aktuell mehr Achtsamkeit (Wertschätzung) in gemeinsamen Yogastunde?

Beispiel:

  • Kommunikation

Wir sprechen Probleme direkt an und trauen uns unsere Bedürfnisse, Fragen, Gefühle oder was uns wichtig ist zu kommunizieren. Wir sprechen uns gegenseitig freundlich darauf an, wenn sich jemand nicht an die Punkte unser Versprechen hält.

  • Rücksichtnahme

Während der Yogastunde nehmen wir aufeinander Rücksicht. Wenn jemand eine Übung nicht mitmachen möchte, sucht er sich einen ruhigen Platz im Raum und nimmt Rücksicht auf die anderen, die die Übung mitmachen möchten. Wir nehmen Rücksicht in dem wir den anderen aussprechen lassen und ihn nicht unterbrechen.

Gestaltet mit euren Versprechen ein Blatt, auf dem ihr die Versprechen notiert oder Symbole für die einzelnen Punkte verwendet. Eurer Versprechen ist dann Teil eurer Raummitte und immer präsent. In den ersten Stunden nach der Einführung kann das Versprechen zu Beginn der Stunde immer kurz besprochen werden. Danach sollte aber jeder die Versprechen kennen und das Blatt ist Teil der Raummitte, so dass es immer präsent ist, auch wenn es nicht explizit besprochen wird.

Mit der Zeit könnt ihr euer Versprechen verändern oder auch um weitere Punkte erweitern.

Schritt 2: Svadhyaya im Kinderyoga – Reflektion von Ahimsa

Svadhyaya ist das 4. der Niyamas und bedeutet das eigene Denken und Handeln zu beobachten und kritisch zu hinterfragen. Hier geht es darum im Zusammenhang mit Ahimsa das Reflektieren mit Kindern und Jugendlichen zu üben.

Svadhyaya ist ein essentieller Bestandteil der Praxis von Ahimsa! D.h. am Ende einer jeden Yogastunde reflektieren wir gemeinsam kurz, wie wir in der heutigen Yogastunde unser Versprechen praktiziert haben.

Beispiele für mögliche Reflektionsfragen:

  • Wie fühlt es sich an, meine Gefühle oder Bedürfnisse mitzuteilen? Wie fühle ich mich danach?
  • Wie hat es sich für mich angefühlt Rücksicht zu nehmen und während der Übung die anderen nicht zu stören?
  • Wie fühlt es sich für mich an, wenn jemand auf meine Bedürfnisse Rücksicht und sie achtet nimmt?
  • Wie hat es sich für mich angefühlt, als ich freundlich daran erinnert wurde, dass ich eines der Versprechen vergessen habe?
  • ….

Reflektieren ist mit Kindern bereits ab ca. 5 Jahren möglich. Gerade am Anfang dieser Übungs – Praxis sollte die Reflexion kurz und einfach gehalten werden. Spielerische Reflexionsmethoden für Kinder findest du in meiner Übungssammlung!

PDF Download „Spielerische Übungen für Kinder zum Niyama Svadhyaya“

Weitere Inspirationen zur Yoga-Philosophie im Kinderyoga-Unterricht findest du zudem im Mitgliederbereich. Hier lernst du das Yoga Sutra aus der einzigartigen Perspektive von Kinderyoga kennen und verstehen, erfährst, wie du deinen Yoga-Unterricht mit Kindern mit den traditionellen Wurzeln des Yoga verbinden und die Lehren aus der Yoga-Philosophie altersgerecht und zeitgemäß in deinen Unterricht integrieren kannst.

Mitgliederbereich „Yoga-Philosophie für Kinderyogalehrerinnen“

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